… der moderne Kaiserschnitt erfunden wurde?

Wir schreiben den 25. September 1881. Ein Telegramm aus dem etwa 20 Kilometer südöstlich von Heidelberg gelegenen Meckesheim erreicht den Gynäkologie-Professor Ferdinand Adolf Kehrer: Eine Frau liege in den Wehen, der Hausarzt habe die Notwendigkeit eines Kaiserschnitts festgestellt, ein Experte sei gefragt. Kehrer, erst seit kurzem Ordinarius an der Heidelberger Frauenklinik, macht sich unverzüglich auf den Weg – mit dem Zug, denn das Auto sollte erst fünf Jahre später von Carl Benz in Mannheim erfunden werden. Am Ort des Geschehens trifft er auf einfachste Verhältnisse. Das Wohnzimmer der Familie Schlusser wird kurzerhand zum Kreissaal. Zwei Hängelampen, eine Stehlampe, mehrere Stearinkerzen, einige Leinentücher und Kissen, ein kleiner Tisch, ein Stuhl und in Carbolwasser getränktes medizinisches Gerät – der Eingriff kann beginnen.

Doch bevor Kehrer loslegt, überzeugt er die werdende Mutter noch von einem neuen Verfahren. Statt der jahrhundertelang praktizierten, fast immer mit dem Tod der Mutter einhergehenden Schnittführung von oben nach unten, will Kehrer die Bauchdecke und die Gebärmutter erstmals quer aufschneiden. Emilie Schlusser willigt ein – inwieweit sie zu diesem Zeitpunkt bereits unter der Einwirkung des Narkosemittels Chloroform steht, ist nicht überliefert.

Nach etwa einer Stunde ist die Operation beendet, Mutter und Kind Emilie wohlauf. Kehrer hat den ersten konservativ-klassischen Kaiserschnitt der Medizingeschichte durchgeführt. Die neue Operationstechnik sowie weitere Errungenschaften in der Medizin lassen die Müttersterblichkeit bei Kaiserschnitten in Deutschland von damals 80 Prozent auf heute 0,04 Promille sinken. Bis dato wird die von Kehrer entwickelte „sectio caesarea“ in der Modifikation von Hermann Johannes Pfannenstiel standardmäßig angewandt. Allein in Deutschland erblickte zuletzt fast jedes dritte Kind per „Schnellgeburt“ das Licht der Welt.