Eine Welt in Bewegung

Die Geschichte der modernen Mobilität beginnt in Mannheim – mit der Erfindung des Automobils durch Carl Benz. Das Museum, das diese Geschichte erzählt, steht in Ladenburg – inszeniert von Winfried A. Seidel, der die ehemaligen Benz´schen Fabrikhallen zu einem Denkmal der Automobilkultur verwandelt hat. Ölgeruch inklusive.

Hier arbeitete er also, der wahrscheinlich einflussreichste Startup-Unternehmer der Neuzeit. In einem alten Klinkersteinbau in Ladenburg, nur wenige Fahrminuten von Mannheim entfernt, wo er am 29. Januar 1886 seine weltbewegende Erfindung machte: das Automobil.

Versuchsfahrten führten Carl Benz den Neckar entlang häufig nach Ladenburg. 1906 eröffnete er hier mit seinem Sohn Eugen eine eigene Automobilproduktion. Ziemlich genau 100 Jahre später eröffnete der Oldtimersammler Winfried A. Seidel in den alten Fabrikhallen ein eindrucksvolles Museum – das seitdem jedes Jahr über 20.000 Besucher anzieht.

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1905 erwarb Carl Benz in Ladenburg das Anwesen am heutigen Dr. Carl Benz-Platz. Nur wenige Kilometer von Mannheim entfernt, wo er das Automobil erfunden hatte, gründete der Unternehmer die Firma C. Benz Söhne, in der seit 2004 das Automuseum die Geschichte der Mobilität erzählt. Foto: Automuseum Dr. Carl Benz, Ladenburg

Inmitten der renovierten Hallen ist ein kleiner Raum im Originalzustand erhalten geblieben. Eine Werkstatt nur. Aber sie sieht immer noch so aus wie damals. Der Putz in dem kleinen Raum ist schmutzig, die Werkbank liegt voller Werkzeug. Hier riecht es noch wie früher – nach Motoröl. Als Winfried A. Seidel die historischen Hallen von Carl Benz’ Nachfahren kaufte, durfte er sich darüber freuen, dass die Zeit hier stehen geblieben war. Die Patina vom Schweiß harter Arbeit klebte noch an den Wänden.

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Historischer Ort mit Patina: die Werkstatt von Dr. Carl Benz.

Dass sich diese authentische Atmosphäre erhalten hat, ist dem Fingerspitzengefühl des Automobilexperten zu verdanken, der viel sanieren musste, um die Fabrikhallen zu einem Dokumentationszentrum seiner einzigartigen Oldtimersammlung zu machen – ohne dem Ort seine Geschichte zu nehmen. Im Gegenteil: Seidels Privatmuseum ist ein emotionaler Hort des Bewahrens. Autofans aus aller Welt kommen jedes Jahr hierher und entdecken das, „was andere oft loswerden wollten“ – so drückt es der Museumsinhaber aus, der viele Ausstellungsstücke selbst restauriert hat: Legendäre Original-Oldtimer gibt es hier zu entdecken, mit blank polierten Motorhauben, verchromten Details und den dazugehörigen Geschichten.

Rund 120 Gefährte erzählen eine Art Kulturgeschichte der Mobilität, spannend ergänzt mit detaillierten historischen Hintergrundinfos.

Von der fahrbaren Sägemaschine bis hin zum schnittigen Sprint- und Tourenwagen hat der Sammler wunderbare Stücke zusammengetragen: Der legendäre Benz Patent-Motorwagen, eine Leihgabe aus dem Daimler Benz Museum in Stuttgart, hat hier ebenso einen Platz gefunden wie ein glänzender Formel-1-Bolide des mehrfachen Weltmeisters Michael Schumacher oder ferngesteuerte Modellwagen im Maßstab eins zu fünf etwa des „Lanz Bulldog“ von 1929 – neben dem Fahrrad von Karl Drais und dem Raketenflugzeug von Julius Hatry eine weitere wegweisende Erfindung „Made in Mannheim.“

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Er lenkt liebend gerne mehr als nur die Geschicke seines Automuseums: Winfried A. Seidel.

So verwundert es nicht, dass es neben all den Automobilen auch eine stattliche Sammlung automobiler Devotionalien gibt – von Zündkerzen bis hin zu Stoppuhren – letztere sozusagen als Symbol für den Aspekt Zeit, der sich mit dem Automobil radikal verändert hat. Denn bis heute ist es schließlich das Auto, das unsere Wege verkürzt und große Distanzen mühelos überwindbar erscheinen lässt. Wie aus der Zeit gefallen wirkt dagegen das ehemalige Empfangszimmer der Firma C. Benz Söhne mit seinen roten Seidentapeten.

Wie kommt ein ehemaliger Fernmeldetechniker wie Winfried A. Seidel dazu, ein Automobilmuseum zu gründen? Als Antwort auf die Frage erzählt er eine kleine Geschichte aus seiner Kindheit: Der deutschlandweit gefragte Oldtimerexperte war einst neben einem Autofriedhof in Bielefeld aufgewachsen. „Und es war einfach unerträglich dabei zusehen zu müssen, wie alles verschwand“, erinnert er sich: Egal, ob die Autos auf dem Gelände noch in Form geblieben und ihre Würde bewahrt hatten oder nicht. Gnadenlos wurden sie mit einer Betonkugel zertrümmert. Vielleicht beschloss der kleine Junge schon damals, dass es für alte Autos ein zweites Leben geben muss? Sicher ist, dass er viele Jahre später nicht nur unzählige Oldtimer aufkaufte, um sie selbst liebevoll zu restaurieren. Winfried A. Seidel gründete auch eben jenes Museum in Ladenburg, das an Carl Benz und seine legendären Erfindungen erinnert. Und er initiierte den größten Oldtimermarkt Europas, die „Veterama“ in Mannheim und Hockenheim.

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Das stimmt in der Tat: Seidel wirkt mit seinem graumelierten Bart und der tiefen Stimme, als bringe ihn nichts aus der Ruhe. Als habe er dieses Museum mit einem Handstreich aufgebaut und aus eigener Tasche finanziert. Dabei ist zu bemerken, dass Seidel den Kaufpreis der historischen Benzfabrik selbst aufbringen musste, nur bei der Renovierung half ein großzügiges Sponsoring des Unternehmens Daimler-Benz. Noch heute kommt er ohne einen einzigen Cent aus öffentlicher Hand aus. Zusammen mit seiner Frau Brigitte, Tochter Julia und Schwiegersohn Jonas stemmt er rund 40 Abendveranstaltungen im Jahr – ganz zu schweigen vom Aufwand, den die inzwischen zweifache Ausführung der „Veterama“ jedes Jahr mit sich bringt.

Gibt es etwas, das ihn mit Carl Benz verbindet? Benz sei „sehr zurückhaltend“ gewesen, erzählt Seidel. Im Gegensatz dazu fällt es leicht, sich den Museumsinhaber auf einer Bühne vorzustellen, wie er ein Publikum unterhalten und fesseln kann. Aber wenn man ihm dann zuhört, wie er geradezu liebevoll, ja begeistert Details an Kotflügeln oder Ledersitzen erklärt, dann wird klar: Gelebt haben beide, Benz und Seidel, immer für die Sache. Und die hatte wohl meist mit vier Rädern und einem Lenkrad zu tun…


 

automuseum-ladenburg.de

 

 

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