Stephan WolfManfred Rinderspacher

Das Gedächtnis der Pfalz

Seit über 100 Jahren macht das Historische Museum der Pfalz in Speyer Geschichte lebendig – und zu einem echten Erlebnis. Bei Sonderschauen verwandelt sich das Museum selbst für die Kleinsten in einen lehrreichen Abenteuerspielplatz. Verantwortlich dafür ist Direktor Alexander Schubert, der die Mitmachstationen auch gern selbst ausprobiert.  

Der Pfeil surrt fast lautlos durch die Luft. Volltreffer! „Fast wie Robin Hood“, lacht Alexander Schubert, der Direktor des Historischen Museums der Pfalz in Speyer, als er den Bogen zurücklegt. „Ich probiere die Mitmachstationen auch selbst gern aus“, sagt der Museumsmacher, „da wird Geschichte lebendig und zu einem echten Erlebnis.“

Mann mit Bogen in der Hand in Museum

Ein Erlebnis ist dieses Historische Museum der Pfalz schon seit über 100 Jahren. Mit über einer Million Exponaten und berühmten Fundstücken wie dem Goldenen Hut von Schifferstadt aus der späten Bronzezeit zählt es zu den wichtigsten historischen Museen Deutschlands. Einzigartig aber wird es durch Sonderschauen wie etwa vor einiger Zeit über Robin Hood, wo Besucher wie bei mittelalterlichen Ritterturnieren den Bogen spannen und Pfeile auf Zielscheiben abfeuern können. Oder bei der kommenden Grüffelo-Ausstellung, wo sich Kinder ab Dezember selbst in das Wesen mit knotigen Knien und grässlicher Tatze verwandeln können.

Museumsgebäude von außen

Familien-Unterhaltung, die man sonst eher in Freizeitparks erwartet, in einem historischen Museum? In Speyer gehören Familienschauen schon seit vielen Jahren zum Programm. Und mit Alexander Schubert hat das Museum am Domplatz den richtigen Antreiber und Ideengeber dafür gefunden. Der gebürtige Bayreuther ist seit 2014 in Speyer aktiv. In den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen hat der Historker gezeigt, wie man Ausstellungen über geschichtliche Themen abstaubt und neu erfindet. „Mir macht es Spaß, Menschen auf unterhaltsame Weise Wissen zu vermitteln“, sagt er. Ein Museumsdirektor müsse heute eben auch Unterhalter sein. Und neben der wissenschaftlichen Expertise als promovierter Mittelalterhistoriker hat er auch das Marketing-Gen – und das kommt ihm jetzt in der Domstadt zugute.

Nach dem Geschichtsstudium in Bamberg und dortigen Anfängen im Museum war Magdeburg für den gebürtigen Bayreuther eine zweite Station, bis 2006 Alfried Wieczorek anrief. Der Generaldirektor der Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen wollte ihn gerne in die Quadratestadt holen. Seinen Einstieg hatte Schubert in Mannheim dann mit dem Marketing für die „Alexander, der Große“-Schau, die zu einem Publikumsrenner wurde. Es folgten Ausstellungen über die Staufer und die Wittelsbacher. Über 600 Jahre Geschichte wurden ausgebreitet. Das Mannheimer Barockensemble aus Schloss, Jesuitenkirche und Zeughaus bot für diese große Drei-Länder-Ausstellung den richtigen Rahmen.

„Inzwischen bin ich in Speyer angekommen“, sagt der gebürtige Bayer, der heute ein Treiber der regionalen Kulturszene ist – bestens vernetzt mit den wichtigsten Playern. „Das Speyerer Museum ist der perfekte Bau für Ausstellungen“, sagt Alexander Schubert, „die Besucher werden organisch geleitet und der überdachte Innenhof bietet Raum zum Verweilen und für Veranstaltungen. Ein moderner Architekt hätte sich das nicht besser ausdenken können als Gabriel von Seidl vor über 100 Jahren.“ In den nächsten Jahren muss allerdings der Erweiterungsbau des Museums aus den 90er Jahren saniert werden – eine Millionen-Investition. Die Stärken des Hauses sieht er in den Sammlungsbeständen, die das Haus als „Gedächtnis der Pfalz“ präsentieren kann. Es ist geplant, die Schmuckstücke der Sammlung wie den Goldenen Hut von Schifferstadt, den „Zug auf das Hambacher Schloss“ von 1832 oder den Domschatz in eine große, neue Präsentation über die Geschichte der Pfalz einzubinden. Dafür braucht es Platz. „Denn ich möchte, dass das Historische Museum auch in Zukunft in der Ersten Liga spielt“, wünscht sich der Direktor. Speyer selbst sei eine geschichtlich hochinteressante, sehr attraktive Stadt – ein idealer Ort für große kulturgeschichtliche Ausstellungen mit bundesweiter Strahlkraft.

Der Lernort Museum muss immer auch ein Erlebnis bieten.

Alexander Schubert

Seinen Einstieg in Speyer hatte Alexander Schubert mit der noch von seinem Vorgänger Prof. Eckart Köhne konzipierten Playmobil-Ausstellung, die aufgrund des großen Zuspruchs zweifach verlängert und von rund 211.000 Besuchern gesehen wurde. Auf rund 2000 Quadratmetern waren teils raumfüllende Installationen zu erleben, die spielerisch zur Auseinandersetzung mit geschichtlichen Zusammenhängen anregten.

Die Sammlungsausstellung Urgeschichte erzählt die Geschichte von Sammlern und Jägern.

Es folgten die Titanic-Ausstellung mit über 200.000 Besuchern und die Schau „Detektive, Agenten und Spione“ mit 120.000 großen und kleinen Gästen. Die große Landesausstellung „Richard Löwenherz“ war mit 100.000 Besuchern ein weiterer Höhepunkt, aber Schubert ist gedanklich schon viel weiter. „Der Lernort Museum muss immer auch ein Erlebnis bieten“, sagt er – nicht zuletzt deshalb war 2018 auch eine Familienschau rund um die berühmtesten Kinderbuchfiguren entstanden. Anlässlich des 80. Geburtstags von Kinderbuchautor Paul Maar hatte Schubert das Sams samt seiner „Kollegen“ wie Pippi Langstrumpf, den kleinen Wassermann, Pumuckl oder den kleinen Vampir Rüdiger ins Museum eingeladen. Erwachsene hatten die Gelegenheit zu einer Reise in die eigene Kindheit und junge Besucher zu einer Entdeckungstour in die Fantasiewelten der Kinderliteratur. Fast 100.000 Besucher kamen dafür nach Speyer.wertvolle mit gold und Steinen verzierte Artefakte

Ende 2019 will man sich nun auf die Spuren des Medicus und die Geschichte der Medizin begeben, begleitet von einer Sonderschau für Familien zum berühmten Kinderbuch „Der Grüffelo“ von Julia Donaldson und Axel Scheffler. 2021 ist es dann wieder Zeit für eine große, historische Ausstellung, wenn die Habsburger nach Speyer kommen. Doch Sonderausstellungen sind nur ein spannender Aspekt dieses Historischen Museums. Seine zeitlose Faszination verdankt es seinen umfangreichen Sammlungen und spektakulären Objekten wie dem berühmten „Römerwein“: die Flasche mit ihrem wertvollen Inhalt – datiert um 325 n. Chr. – gilt als der älteste flüssig erhalten gebliebene Traubenwein der Welt und ist so etwas wie der Urkeim der Kulturgeschichte des Weins in der Region Rhein-Neckar. Große Weinpressen, Fässer und alte Abfüllanlagen zeugen im Weinmuseum von der Arbeit der Winzerinnen und Winzer. Beeindruckende Ausmaße hat die riesige Baumkelter aus dem Jahr 1727, die seit über 100 Jahren im Museum steht. Beim Neubau des Hauses 1910 hatte sie ihren Platz erhalten, seitdem wird die Ausstellung ständig aktualisiert – um Geschichten für die Zukunft zu erzählen.


www.museum.speyer.de

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