Mit dem Zug mal ganz ohne Verspätung quer durch Deutschland bis in die Schweiz – und sogar nach Amerika? So was geht nur im Odenwald – in Süddeutschlands größter H0-Modellbahnanlage mit über 11.500 Meter Gleisen und über 400 Zügen. Der Sammler Michael Schuhmacher hat in Fürth eine faszinierende Welt im Miniaturformat geschaffen – in der sich ständig Großes anbahnt …

Der kleine historische Bahnhof in Fürth im Odenwald steht unter Denkmalschutz und seit 1895 ist hier Endstation – aber nur für eine Fahrt mit der Weschnitztalbahn. Die verbindet den hessischen Odenwald mit dem gut 16 Kilometer entfernten Weinheim und hat in den letzten Jahren immer mehr Fahrgäste an Bord mit einem heiß ersehnten Ziel: der Modellbahnwelt Odenwald.

Nicht weit entfernt vom beschaulichen Fürther Bahnhof, herrscht auf dem Gelände einer ehemaligen Tennishalle Hochbetrieb auf dem Gleiskörper. Auf fast 900 Quadratmetern Fläche rattern Dampfloks über Brücken und Täler, Elektroloks zischen in Tunneln durch Bergmassive, pfeilschnell jagt ein ICE den Rhein entlang – die Distanzen zwischen Nordsee und den Schweizer Alpen gerinnen zu Minuten. In den Hüttenwerken Oberhausen qualmen die Schlote, ein paar Ecken weiter aalen sich Urlauber auf einem Campingplatz in der Sonne, ein moderner österreichischer Railjet fährt gerade im Bahnhof von Dürnstein ein, in der Schweiz startet der Glacier-Express seine abenteuerliche Reise nach Zermatt, vorbei an Wochenmärkten und Almabtrieben.

Und überall: Väter mit ihren Söhnen. Dicht an die Anlagen gepresst stehen sie da, mit leuchtenden Augen. Klar, Modelleisenbahn, das ist kein Hobby, das ist Leidenschaft. Von Generation zu Generation wird es weitervererbt, das Märklin-Gen. Selbst in digitalen Zeiten von Smartphones und Spielkonsolen hat die Modelleisenbahn ihre Faszination nicht verloren – im Gegenteil: in Garagen, auf Dachböden, in ausgebauten Kellergeschossen und vor allem im Odenwald treibt der Kult immer größere Blüten.

„Das Thema lässt mich seit der Kindheit nicht mehr los…“, sagt der Fürther, während er mal wieder mit seinem Cheftechniker Michael Flössel im Leitstand steht und seine wunderbare Welt im Format 1:87 mit Argusaugen beobachtet. Plötzlich verschwindet er unter einem Mittelgebirge aus Kunststoff, um Sekunden später über täuschend echt gestalteten Baumwipfeln wieder aufzutauchen und zu ergänzen: „… aber ohne meinen Beruf hätte das hier nicht diese Dimension angenommen.“

Tatsächlich war es ein Wendepunkt in seinem Leben, als ihm vor über 10 Jahren ein Geschäftspartner vom geplanten Verkauf der Modellbahnanlage „Von der Küste bis zu den Alpen“ erzählte. Kein alltägliches Angebot, denn sie stammt aus der Werkstatt von Gerhard Dauscher, der in der Szene als „Michelango des Modellbahnbaus“ gilt und der sie einst für das Harzer Modellbahnzentrum gebaut hatte. Michael Schumacher fackelte nicht lange, sondern griff zu. „Die Nachricht machte unter Modellbahnern schnell die Runde, und plötzlich wurden mir immer mehr Anlagen angeboten.“ Der Zug kam ins Rollen und schon ein Jahr später kaufte Michael Schuhmacher seine zweite Anlage „Dürnstein“, aus der Werkstatt des nicht minder berühmten Modellbauers Josef Brandel. 2010 folgte die Sherman-Hill-Line, und seitdem rollt auch „Big Boy“ – die größte Dampflock der Eisenbahngeschichte – mitten im Odenwald durch die Steppe Wyomings. „Zu dieser Zeit habe ich auch mehrere Dioramen erworben. Das sind Modellschaukästen, die detailreich reale Szenen nachbilden, wie beispielsweise einen Feuerwehreinsatz.“

„Die Anlage war so groß, dass wir 18 Sattelzüge gebraucht haben, um sie hierher zu schaffen.“

Spätestens mit der Ankunft der ‚Zermatt-Bahn‘ im Jahr 2011 wird für Michael Schuhmacher klar: Er braucht Platz – viel mehr Platz! „Beim Fürther Bürgermeister habe ich mich nach der alten Tennishalle neben dem Freibad erkundigt. Ganz unkompliziert habe ich mir das vorgestellt: Halle entkernen und loslegen.“ Doch so einfach sollte es nicht werden. Die Statik des alten Racket-Centers war für den zu erwartenden Besucheransturm nicht geeignet. Aber wer Michael Schuhmacher kennt, weiß: das kann den Mann nicht aufhalten, dann muss eben einen neue Halle her. Im Mai 2012 wurde mit dem Abriss begonnen – und schon 2013 eröffnet.

Modellbahnwelt-Chef Michael Schuhmacher

„Noch bevor es hier mit den Bauarbeiten losging, habe ich die bisher größte Anlage ‚Oberhausen‘ erstanden, sie ist unser Highlight. Ein Modell des Ruhrgebiets der 60er und 70er Jahre. An ihr sieht man den gesamten Prozess der Stahlproduktion. Als Kind durfte ich das noch in Realität erleben, es hat mich schwer beeindruckt. Die Bahn als industrielles Transportmittel, alles raucht und dampft. Die Anlage war so groß, dass wir 18 Sattelzüge gebraucht haben, um sie hierher zu schaffen.“

Michael Schuhmachers Augen leuchten, während er die Besucher mit auf die Zeitreise in seine eigene Kindheit nimmt. Wenn bei abgedimmten Licht zigtausend winzig kleine LEDs die Bahnsteige beleuchten, dann ist er wieder der kleine Junge, der sich an den Schaukästen die Nase plattdrückt. Dann ist schnell vergessen, welche Mühe der Betrieb der Modellbahnwelt an manchen Tagen bedeutet und was es heißt für ein ganzes Techniker-Team, Personalverantwortung zu übernehmen und die Bürokratie im Tagesgeschäft zu erledigen.

„In den Sommerferien haben wir sechs Wochen am Stück offen, da vergeht kaum eine Woche in der nicht ein Transformator durchbrennt, das ist Stress pur. Und pro Quartal fallen bei mir im Büro bestimmt vier bis fünf Leitzordner Akten an.“ Die großen und die kleinen Besucher in der Modellbahnwelt Odenwald danken Michael Schuhmacher die Mühe:
Immer mehr Besucher pilgern heute nach Fürth, um die mittlerweile größte Modellbahnanlage Süddeutschlands zu erleben, in der sich ständig neues Großes anbahnt. Denn Michael Schuhmacher kann‘s nicht lassen: im Sommer 2017 übernahm er einen großen Teil der Berliner Modellbahnwelt „Loxx am Alex“ und seit acht LKW-Ladungen mit wertvoller Fracht in Fürth ankamen und erfolgreich installiert wurden, steht in Fürth nun das mit Abstand größte Bahnbetriebswerk Süddeutschlands – im Maßstab 1:87.


www.modellbahnwelt-odenwald.de

Newsletter

Ausflugstipps und interessante Geschichten über die Rhein-Neckar-Region gibt es regelmäßig in unserem Newsletter.

Und so geht’s: Geben Sie Ihre E-Mail Adresse in das Feld ein und klicken Sie auf abonnieren. Sie erhalten daraufhin eine automatisch generierte Nachricht an die von Ihnen genannte E-Mail Adresse, die Sie nur noch bestätigen müssen. Fertig!

Abbrechen

Suche