Früchte des Wandels

Feigen, Mandeln, Kakis, Granatäpfel: Auf der Versuchsfläche der Gartenakademie Rheinland-Pfalz in Neustadt wachsen Pflanzen, die milde Winter und heiße Sommer mögen. Der Leiter Werner Ollig findet: Wenn sich das Klima ändert, brauchen wir auch die passenden Pflanzen dazu.

Die Zukunft wächst neben einer langgezogenen Linkskurve, zwischen Landesstraße und Neubaugebiet. Werner Ollig geht durch die Reihen kleiner Bäume, zeigt die verschiedenen Sorten. Sie alle haben charakteristische dicke, grüne Blätter mit langen Fingern. Manche Früchte sind länglich, manche eher rund, die einen tragen eine violette Schale, bei anderen ist sie grün oder gelb. Werner Ollig pflückt eine reife Frucht, deren Schale fast braun ist, zieht sie mit den Fingern ab, darunter kommt das helle Fruchtfleisch zum Vorschein. „Die Feige ist eine Motivationsfrucht“, sagt er. „Die muss man einfach abmachen und gleich essen.“

Leiter Werner Ollig mitten auf der Versuchsfläche der Gartenakademie Rheinland-Pfalz in Neustadt.

Werner Ollig leitet die Gartenakademie Rheinland-Pfalz in Neustadt-Mußbach, ein kleiner Bereich des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum. Ollig und seine Kollegen beraten Kommunen und private Hobbygärtner, bieten Lehrgänge an, informieren über nachhaltigen Pflanzenschutz oder das passende Grün für das Grundstück. Wer eine kranke Pflanze hat, kann sich vom Gartendoktor beraten lassen oder sie mittwochs ins Labor bringen. Man macht sich dort aber auch Gedanken über die Zukunft.

Über die Feige zum Beispiel. Mit den unterschiedlichen Pflanzen auf der Versuchsfläche will Werner Ollig herausfinden, welche Sorten besonders gut in die Region passen. Die Feige mag es warm und sonnig. Richtig sonnig. „Dann werden die Früchte besonders aromatisch.“ Der Feige könnte in der Pfalz also eine rosige Zukunft bevorstehen. Ein positiver Aspekt der weltweiten Erwärmung. Dabei ist sie gar kein Neuankömmling. Sie gehöre zur Pfalz wie der Wein, erklärt der 62-Jährige:

„Traditionell wurde die Feige hier schon immer angebaut, wie in allen Weinbauregionen in den Flusstälern. Die Römer haben sie hergebracht und neben die Häuser gepflanzt. Die Feige braucht viel Wasser und hat ein tiefes Wurzelwerk. Sie zieht das Fundament trocken und schützt so das Haus vor Nässe.“

Rund 50.000 Feigenbäume soll es in der Pfalz geben, die meisten davon auf Privatgrundstücken. Ein großflächiger Erwerbsanbau ist in der Region nicht möglich, sagt Ollig – dafür sei das Klima zum Glück doch noch nicht warm genug. Vor zwei Jahren machte der Frühjahrsfrost der fragilen Kultur auf der Versuchsfläche den Garaus. Doch an einem Standort, wo sie viel Sonne und wenig zugigen Ostwind abbekommt, fühlt sich die sensible Pflanze wohl.

Ollig ist Agrar-Ingenieur, Leiter der Gartenakademie und Berufsschullehrer. Für ihn sind Bäume und Sträucher nicht bloß Gewächse – das wird deutlich, wenn er vom Aroma der Feigen schwärmt. Oder wenn er von der Geschichte der Bäume erzählt, die in einer lockeren Reihe die Versuchsfläche säumen. An den Ästen hängen pelzige grüne Früchte. Wenn sie aufplatzen, werden Mandeln zum Vorschein kommen. Essbare wohlgemerkt – im Gegensatz zu den Früchten der rosablühenden Mandeln in Gimmeldingen, die für den Genuss zu bitter sind. Früher hätten die Römer damit die Weinberge beschattet, erklärt Ollig. In der heutigen Zeit der Vollernter ist für Mandelbäume im Wingert allerdings kein Platz mehr. Dabei spenden sie, was vielerorts bitter nötig wäre: kühlenden Schatten.

Mandel und Feige haben Tradition in der Pfalz, sie sind typische Gewächse des Weinbauklimas. Anders verhält es sich mit den kleinen Bäumen dazwischen. Noch ist vor allem grünes Laub zu sehen. Im Oktober aber werden sie Früchte tragen. „Orange und rund, solche Apparate“, sagt Ollig und formt seine große Hand zur Schale. Seit rund 15 Jahren pflanzt die Gartenakademie hier Kakis an, auch als Sharon-Früchte bekannt. Wenn im Herbst das Laub von den Bäumen gefallen ist, leuchten sie besonders auffällig. Die Früchte der Versuchsfläche werden von den Mitarbeitern der Gartenakademie genau untersucht – verkauft allerdings nicht: Dafür ist die Ernte zu gering.

Und dann ist da noch Punica granatum, so der wissenschaftliche Name, von dem sich schon ein Safthersteller inspirieren ließ: ein weiterer Exot, der auf der Versuchsfläche Wurzeln schlägt und in bescheidene Höhe strebt. An den hüfthohen Sträuchern sind große, hellrote Blüten zu erkennen. Bald werden Granatäpfel daran hängen. „Wir ermutigen die Leute, es einfach mal auszuprobieren und eine Kaki oder einen Granatapfel im eigenen Garten anzupflanzen“, sagt Ollig. „Wenn wir hier das Klima von Madrid bekommen, brauchen wir auch die Pflanzen dazu.“

Offenbar gefällt es den wärmeliebenden Pflanzen in der Pfalz. Die Kakis auf der Versuchsfläche fruchten jedes Jahr und brauchen keine Behandlung mit Pflanzenschutzmitteln. Also lässt sich der Klimawandel, an den noch immer nicht jeder glauben will, hier wirklich beobachten? „Absolut“, sagt Ollig.

„Als ich hier vor 30, 35 Jahren angefangen habe, haben wir als Erste die Weltsorten bei den Äpfeln angepflanzt: Braeburn, Fuji, Gala. Man sagte damals: Das ist nur im Weinbauklima möglich. Wir hatten hier eine lange Vegetationsperiode von 180 Tagen zwischen Blüte und Ernte. Die Holländer und Belgier kamen in Bussen und haben uns beneidet. Und heute? Wachsen all die Sorten auch im Alten Land, in Holland oder Skandinavien. Der Klimawandel ist deutlich spürbar.“

In der Pfalz können Äpfel in sehr heißen Monaten inzwischen buchstäblich Sonnenbrand bekommen. Werner Ollig zeigt die Gala-Äpfel neben den Feigenbäumen. Manche Früchte haben braune Flecken: Sonnenbrand eben, der die Äpfel ungenießbar macht, wenn er weit vorangeschritten ist. Nicht nur aus diesem Grund will sich Ollig nicht mit dem Klimawandel abfinden. Für ihn ist es ein Graus, wenn gewissenlos Bäume gefällt werden. Oder wenn Gartenbesitzer Sträucher und Gras gegen Kiesel eintauschen, um sich mit einem vermeintlich pflegeleichten Steingarten Arbeit vom Hals zu halten. „Entsteint euch“, hat die Gartenakademie ein aktuelles Projekt genannt: Mit Unterstützung der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft, deren Vizepräsident Ollig ist, werben die Experten für grüne Vielfalt statt grauer Monotonie in Privatgärten und auf kommunalen Freiflächen.

Auch für die Alternative zum Steingarten erhalten die Besucher der Gartenakademie reichlich Inspiration: Stauden mit Blüten in allen erdenklichen Farben bilden vor den Gebäuden des Dienstleistungszentrums ein üppiges Blumenband. Wenn sie dicht an dicht wachsen, sieht das nicht nur schön aus. Dann dringt auch kein Licht mehr an den Boden – das Unkraut jäten können sich Gärtner dann sparen.

Olligs idealer Garten würde wohl so aussehen: mit blühenden Wiesen, bunten Stauden und schattenspendenden Obstbäumen. Vegetation auf verschiedenen Stockwerken.

„Es gibt in Deutschland eine Million Hektar Gärten. Wenn wir da mehr Bäume, Sträucher und Stauden pflanzen, kommt das der Natur zugute, den Insekten, dem Klima – und natürlich auch uns selbst.“


www.gartenakademie.rlp.de

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